Das Jahr 2018 ist aus historischer Sicht in ganz besonderer Weise Anlass zum Nachdenken, zum Bedenken, zum Recherchieren und um Position zu beziehen. Dazu kann die Philatelie in vielerlei Hinsicht beitragen.
Die Stichworte: Vor 400 Jahren begann der Dreißigjährige Krieg. Im 2. Weltkrieg gab es vor 75 Jahren entscheidende Wenden im militärischen Geschehen. (Stalingrad, Afrika-Feldzug) Vor 100 Jahren endete 1918 der Erste Weltkrieg. Es folgten u. a. die Abdankung der Hohenzollern und der Habsburger. Die Folge waren Republiken in Deutschland und in Österreich.
So kann man wohl mit Goethe sagen: "Nichts Besseres weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen / Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei..."(Faust, Kapitel 5)
Hier soll es aber darum gehen, mit Hilfe der Philatelie einen Blick auf das so verhängnisvolle Geschehen des 1. Weltkriegs zu werfen. Dieser Beitrag steht nicht in Konkurrenz mit renommierten Historiken, die die Fakten und Hintergründe des 1. Weltkriegs in den letzten Jahren differenziert beleuchtet haben. Es geht mir nicht um die Kriegsschuldfrage und die Verstrickung der Mächte in Bündnissysteme.
In diesem Beitrag sollen auch nicht Briefmarken oder die philatelistischen Aspekte von Belegen im Vordergrund stehen, sondern es soll mit Hilfe von Ansichtskarten versucht werden, den Blick auf "die Stimmung" vor und während des 1. Weltkriegs zu lenken. Dazu habe ich ganz subjektiv die Themen "Patriotismus" und "Soldatenhumor" gewählt, weil damit meines Erachtens ein wichtiger Aspekt der wilhelminischen Zeit sichtbar wird.
Die religiösen Gefühle wurden intensiv genutzt, um patriotischen Geist zu wecken und zu erhalten. Neben den Reichsfarben steht die Reichkriegsflagge im Vordergrund.
Der Text der 2. Strophe des "(Alt)Niederländischen Dankgebets" (Fassung Joseph Weyl, 1877) zeigt nur allzu deutlich die Verbindung zwischen Religion (Gott), Politik (Recht) und Krieg (Schlacht).
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Ansichtskarten bleiben reizvoll
In den letzten Jahrzehnten sind Ansichtskarten bei den Sammlerinnen und Sammlern beliebter geworden. Bei Ausstellungen sieht man immer wieder, wie sich die Besucher die Nasen an den Ausstellungsrahmen förmlich platt drücken, um die kleinen Bilder ganz genau zu betrachten. Wie oft kommt dann ein lautes. "Oh, das sieht doch heute ganz anders aus!" oder "Kaum zu glauben, damit wollte man Fliegen?" Üblicherweise werden Ansichtskarten nach topographischen Gesichtspunkten gesammelt, wenn es darum geht, Ortschaften oder Landschaften darzustellen. Die "Thematiker" widmen sich möglicherweise der "Eisenbahn", dem "Flugwesen" oder der "Mode".
Eine bereits umfangreiche Literaturliste und nicht zu vergessen die Auktionskataloge renommierter Fachversteigerer helfen zu Fachfragen. Ein Standardwerk für Sammler ist das Büchlein "Alte Postkarten" von Wolfgang Thill, seit 1994 mehrfach und preisgünstig als Lizenzausgabe aufgelegt.
Und so kamen die Nachrichten zu den Soldaten, nämlich "per Feldpost". Diese Art von Ansichtskarten dienten auch dazu, den Lieben in der Heimat mitzuteilen, welche Sendungsformen erlaubt und wie hoch die Portogebühren waren.
Im Bund Deutscher Philatelisten (BDPh e.V.) gibt es die "Ansichtskarten-Interessengemeinschaft" und die "Arbeitsgemeinschaft Maximaphilie & Philokartie". Einzelheiten dazu gibt es über die Homepage des BDPh e.V., www.bdph.de.
Es gibt unzählige Möglichkeiten, sein Hobby in der "Philokartie", wie das Sammeln von Ansichtskarten korrekt heißt, "auszuleben". Das Angebot ist groß, und die meisten Ansichtskarten sind relativ preiswert zu erwerben. Ob Topographie oder Thematik, man findet sowohl beim Handel wie auf Messen, Börsen und Flohmärkten immer noch viel Material. Erst ganz allmählich fanden Ansichtskarten Eingang in philatelistische Exponate. Im Ausstellungsreglement des BDPh e.V. sind sie aber mittlerweile zu festen Bestandteilen geworden. Leider ist die "Philokartie" auf dem weiten Feld der Philatelie trotzdem noch ein "Stiefkind".
Ansichtskarten und Feldpost
Die historischen Daten sind nun Anlass, die geneigten Leserinnen und Leser, oder soll ich eher sagen "die Betrachterinnen und Betrachter", mit Ansichtskarten einzustimmen in die Jahre des Ersten Weltkriegs und wenige Jahre davor. Ganz bewusst verzichte ich auf die philatelistischen Aspekte der Anschriftenseite. Für diesen Beitrag sind Frankaturen, Stempel, Nebenstempel etc. nachrangig.
Zum Thema "Gruß von der Musterung" gibt es unzählige, plakative und "reizvolle" Bildkarten.
Diese zeigt den Kaiser, umrahmt von den jungen Soldaten, die Musterungsuntersuchung
und den Abschied von den "Liebsten" zuhause.
Zur Feldpost im Ersten Weltkrieg gibt es ebenfalls eine BDPh-Arbeitsgemeinschaft, und bei Karl Schracke "Geschichte der deutschen Feldpost im Kriege 1914/18", 1921 im Auftrag des Reichspostministeriums herausgegeben, kann man in der Reprint-Ausgabe von 1992 Details dazu nachlesen.
Hatte man die Musterung gut geschafft, ging das Ergebnis dann gleich per Post und Ansichtskarte auf den Weg nach Hause. Die so wichtige Mitteilung "bin tauglich befunden" wurde hier noch ergänzt um den stolzen Zusatz "ab zur Fliegerabteilung". Damit hatte "man" es geschafft, man diente bei diesen neuen Truppenteilen, die besonders hohe Aufmerksamkeit fanden.
Mir geht es um die Bilder auf den Ansichtskarten und deren Wirkung. Sie sind alle meiner Sammlung entnommen und nach subjektivem Empfinden zusammengestellt und kommentiert. Diese Karten blenden nicht deshalb den Krieg aus, weil sie das Gegenteil verherrlichen wollen. Nein, diese Ansichtskarten sollen das vermeintlich "schöne Soldatenleben" zeigen, weil damit der Soldat, das Militärische und letztlich der Krieg damals überhöht wurden. In seinem Grußwort zur Ausstellung "Es geht mir gut - Deutsche Feldpost von 1870 bis 2010" schreibt Dr. Veit Didczuneit vom Museum für Kommunikation Berlin u. a.: "Die Soldaten schrieben an ihre Frauen und Mütter, Familien, Freunde und Bekannten über ihre Hoffnungen und Erwartungen, ihre Sicht auf den Krieg und den Gegner."
Die Bildseiten der Ansichtskarten aus dem Feld, aus dem Schützengraben drücken genau dies aus. So sind sie eine bewusste Abgrenzung zum Grauen des Krieges oder eine Beruhigung der Lieben daheim. Und auch umgekehrt nutzten die Lieben daheim patriotische Darstellungen, um Leid, Trauer und Hunger nicht deutlich werden zu lassen.
Bilder machen "Stimmung"
Wilhelm II. und seine Familie bestimmten damals das neue Medium "Ansichtskarte" mit ihren Themen, der Welt des Adels. Aber mit diesen kleinen Bildern machte man Werbung, begeisterte die Menschen für die moderne Technik, das Reisen in die weite Welt und auch für das Militär.
Selbst 180 Tage vor der Rückkehr nach Hause, war dieses Ereignis einen Gruß wert. Interessant ist auf der kleinen Abbildung rechts unten, dass der "Reservist" eine Reservistenpfeife mitbrachte. Auch diese sind heute gesuchte Stücke für Militaria-Sammler.
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Die Ansichtskarte hatte ihren Siegeszug ausgangs des 19. Jahrhunderts begonnen und war bis vor etwa 30 Jahren das Mittel, um die Lieben zu Hause oder umgekehrt in der Ferne zu informieren. Renommierte Verleger, aber auch kleine "Dorfphotographen", brachten unzählige, attraktive Ansichtskarten auf den Markt, denn gute und schnelle Geschäfte lockten. In den Großstädten waren Verkäufer mit Bauchläden voller Karten unterwegs, in den Touristenzentren boomte der Absatz.
Die Fernreisenden schrieben fleißig nach daheim, beim "Militär" war das Schreiben von Ansichtskarten oft die einzige Abwechselung des tristen Kasernen- oder Manöverlebens. Nun wurden deren Bildseiten quasi auch zu Vorläufern von Reisefotos und Werbespots. Zudem konnte man eigene Fotos verschicken, und das Sammeln von Portraits bekannter Persönlichkeiten, vor allem aus der Theaterwelt war "in".
In diesem Beitrag geht es nicht um Druckverfahren, Papiersorgen, Auflagenhöhen u. ä. Aber er ist mglw. eine Anregung, sich intensiver mit Ansichtskarten zu beschäftigen. Mich hat es gereizt, hier einmal die "Atmosphäre", die "Stimmung" nachzeichnen, wie sie vor und während des Ersten Weltkrieges durch Ansichtskarten bestimmt und gefördert wurde. Der Soldat und die "schillernde Wehr" waren faszinierend, sie bestimmten im konservativen Milieu die Position der Menschen im Kaiserreich. Über diesen Hintergrund gibt es ausreichende Quellen, so dass ich weder den historischen Kontext noch die philokartistischen Einzelheiten tiefer beleuchten muss.
War der Soldat auf Urlaub, war das für ihn und die Heimat auch die Gelegenheit, sich dem "weiblichen Geschlecht" zu widmen. Auf dieser Karte wird "scharmuziert" (ein kleiner Raufhandel angezettelt), "attakiert - die Herzen gerührt". Man kam also nicht nur ins Gespräch, sondern man wollte den jungen Damen gefallen.
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Das war dann das bittere Ende - zumindest für den Gegner. Arthur Thiele zeigt auf dieser Ansichtskarte "Erwischt und Gefangen" die Soldaten der geschlagenen Nationen in Uniform mit den landestypischen Ausrüstungsgegenständen, z. B. Frankreich (gallischer Hahn), und mit Gasmasken. Der "Gaskrieg" zwischen den kriegführenden Parteien gehört zu den schlimmsten Entwicklungen während des Ersten Weltkriegs.
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Die Ansichtskarten in diesem Beitrag sollen auch zeigen, wie nahe "Patriotismus" und "Soldatenhumor" zusammenhängen. Von der völlig selbstverständlichen Einstellung, seine Heimat, sein Vaterland zu schätzen, wurden diese Werte völlig überzogen zu einem "Patriotismus" gesteigert, der fast zwangsläufig dazu führen musste, dass man auch "mit Hurra ins Verderben" zog. Ganz subtil wurde diese Haltung mit der Darstellung des Humors bei den Soldaten gefördert. Von der Musterung über den Dienst in der Kaserne, im Manöver und im Feld bis hin zum Kriegseinsatz wurden die Gefühle der jungen Männer bewusst für das andere Geschlecht, die "Schönheiten" des Lebens damals ("Wein, Weib und Gesang") durch die Ansichtskarten angesprochen.
Die Abbildungen dieser Karten, die "Ansichten" eben, mögen den späteren "Film" ersetzen. Sie sind in der Aneinanderreihung und Abfolge eindringlich und "dicht". Ein Ansichtskarten-Album aus dieser Zeit kann, entsprechend gesteckt, wie ein Moritatenbuch eine ganze Geschichte erzählen. "Worte belehren, Bilder ziehen mit!" sagt das Sprichwort. Ganz einfach: "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte".
Lassen Sie sich durch einige Ansichtskarten hineinversetzen in die angeblich "gute, alte Zeit". Sie endete 1918 in Bombardements, im Kugelhagel, in Vernichtung und Hunger. Aber es musste so kommen. Mit "Hurra" ins Verderben! Das war der Krieg. Eben die "andere Seite" der hier gezeigten Ansichtskarten. Diese Abbildungen sind weit weniger farbig, im wahrsten Sinne des Wortes "grau", die Aussagen grausam.
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aktualisiert am: 24.05.2018
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