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Einflußnahme der Staatssicherheit auf das Kartenwesen der DDR

 
 
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Dagmar Unverhau (Hrsg.)

Eine Annäherung an das Thema Einflußnahme der Staatssicherheit auf das Kartenwesen der DDR

(Referate einer Tagung der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR in Zusammenarbeit mit der Museumsstiftung Post und Telekommunikation vom 8. und 9.3.2001 in Berlin), List-Verlag, Münster 2003; ISBN 3-8258-5964-9; 300 Seiten; 19,50 Euro.

Das Buch will eine Annäherung an das Thema und ein Beitrag zum Anfang in der Erforschung des Umgangs mit Geodäsie und Kartografie in der DDR sein. Gleichzeitig ist die Tagung (anscheinend) der Beginn eines großen Projektes der Bundesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit (BstU) gewesen. (Mir ist leider nicht bekannt, ob es Folgetagungen und -veröffentlichungen bisher gegeben hat).

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Dieser bescheidene Ansatz wurde gewählt, weil das Wissen über die Praktiken der Kartenverfälschung zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs schon als vollständig gelten kann. 14 verschiedene Autoren tragen hier ihre Einsichten zusammen, wobei einige Autoren sich mit den Ereignissen in der Zeit nach der Wende (also mit Nachwir­kungen) befassen, so daß die Zahl der Autoren noch kleiner wird, die konkret die Verfahren in der ehemaligen DDR untersucht haben. Anhand von rund 60, zum größten Teil farbig wiedergegebenen Kartenausschnitten wird analysiert und im Detail gezeigt, wie die von der Sowjetunion ausgehenden Sicherheitswünsche in Bezug auf die Kartographie in der DDR umgesetzt worden sind.

Da wurden Maßstäbe unregelmässig verzerrt, so daß Fixpunkte bis um ± 3 km verschoben erschienen. Weiter wurden wichtige Orientierungspunkte, ebenso wie bedeutsame Karteninhalte (Industrie-Anlagen, Armee-Einrichtungen, Grenzen, Eisenbahnlinien etc.) weggelassen u.ä.m. „Mit ihrem ins Absurde gesteigerten Geheimhaltungsinteresse schnitt sich die DDR jedoch auch ins eigene Fleisch. Die Verzerrungen von Maßstäben und das Weglassen wichtiger Orientierungspunkte hatten für die Volkswirtschaft fatale Folgen. Projektierungen für Industriestandorte, Verkehrsplanungen oder geologische Arbeiten waren erheblich erschwert. Teilweise griffen die Betriebe auf Kartenbestände aus der Vorkriegszeit zurück“ (aus dem Vorwort von Marianne Birthler).

Diese Vorkriegsbestände hätten jedoch längst „durch staatliche Organe eingezogen“ sein sollen, wie in dem Buch an anderer Stelle klargelegt wird.

Es ist eine gesicherte Erkenntnis der Tagung, daß die DDR nicht nur „Karten für Touristen und die eigene Bevölkerung fälschte, sondern auch die offiziellen topographischen Kartenwerke frisierte“.

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Neben der Analyse von Kartenmaterial wird zum Beispiel auch die „Linie Vermessungswesen“ im Ministerium für Staatssicherheit, Hauptabteilung VII (Abwehrarbeit), untersucht, die speziell gegründet wurde, um die Einhaltung der vielen Geheimhaltungsbestimmungen um das Kartenwesen in der Praxis zu überwachen.

Auf großes Interesse dürften in unserer ArGe auch die Beiträge stoßen, die sich mit der Aufgabenteilung in der DDR-Gesellschaft bei der Produktion von Karten insgesamt befassen: „Die staatliche Kartographie (bzw. Topographische Kartographie) unterstand dem Ministerium des Innern (MdI), und zwar hierin der Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen. Die Verlagskartographie war dem Ministerium für Kultur, Hauptverwaltung Verlage und Buchhandel, Abteilung Wissenschaftliche- und Fachliteratur unter­stellt. Die Militärische Kartographie war im Ministerium für nationale Verteidigung (MfNV) dem Militärkartographischen Dienst zugeordnet. Die Herstellung und Herausgabe der topographischen Karten wurde intern zwischen dem MdI und MfNV abgestimmt“ (S. 27).

Es folgen detaillierte Organigramme, die mit Jahreszahlen gekennzeichnet sind, da die Organisation nicht über die gesamte Zeit des Bestehens der DDR die gleiche blieb.

Das Buch bietet dem Interessierten eine unglaubliche Fülle sehr detaillierter Informatio­nen. Sie beleuchten eine ebenso unglaubliche Praxis der Kartographie im von der Partei autoritär gelenkten Staat. Dies soll an folgendem Beispiel-Zitat illustriert werden:

„Die Topographischen Karten „AV“ (=Ausgabe ‚Volkwirtschaft‘, Anm. d. Verf.) unterscheiden sich von den TK „AS“ (=Ausgabe ‚Staat‘, Anm. d. Verf.) durch folgende Merkmale: Das abgebildete Gauß-Krüger-Netz bezieht sich auf das Ellipsoid von Bessel. Die TK „AV“ sind Rahmenkarten. Der Blattschnitt wurde so gewählt, daß diese Karten nicht von Meridianen und Breitenkreisen begrenzt, sondern von willkürlichen, im Blattanschluß sich deckenden Geraden begrenzt werden, die maximal 10 mm von den Blattrandlinien der TK „AS“ abweichen. Mit dieser Regelung wurden Lage und Koordinaten der Blattecken verschleiert, da diese zum Staatsgeheimnis erklärt worden waren. Zwangsläufig ging dadurch die Beziehung des Blattrahmens zum geographischen Netz verloren, so daß auch die Minutenleiste entfiel! Ebenfalls verändert wurde das Nomenklatursystem (Blattnummerierung). Der Karteninhalt wurde bezüglich quantitativer Angaben zu bestimmten Objekten, z. B. Tragfähigkeit von Brücken, Straßenbreiten, Steigungen u.a., reduziert. Darüber hinaus wurden militärische Anlagen eingeschränkt bzw. gar nicht wiedergegeben. Letzteres traf ebenso auf ausländisches Gebiet (dazu zählten auch die BRD und Westberlin) zu, diese Flächen blieben weiß. Die TK „AV“ erschien in den Ausgabevarianten Mehrfarbendruck, Einfarbendruck (bei Topographischen Stadtplänen sowie Topographischen Karten kleiner als 1:200 000 Zweifarbendruck) und als Transparentdruck.“ (Neupert, Anita und Theile, Erik „Karten und Kartenproduktion in der DDR“, S.45 des besprochenen Buchs).

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Dem Buch sind in den Anlagen eine Reihe von abgedruckten Dokumenten angehängt, so z. B. in Anlage 9 : „Redaktionsanweisung und Technologie für die Bearbeitung der topographischen Karten (AV) - Spezielle Festlegungen; 3. Ausgabe des Ministeriums des Innern, Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen, Berlin 1986“. In Anlage 7 „Bericht über den Stand der Realisierung des Beschlusses des Nationalen Verteidigungsrates vom 13. 10. 1965“ heißt es z. B. in Punkt 1. d: „Schaffung einer Grundkarte im Maßstab 1:200 000 mit unregelmäßigen Maßstabs- und Richtungsverzerrungen als Ausgangsmaterial für die Herstellung geographisch-kartographischer Erzeugnisse für die Öffentlichkeit.“

Abbildungsnachweise, ein Abkürzungsverzeichnis, Biographische Angaben zu den Autoren und schließlich zahlreiche Literaturangaben (zu den einzelnen Beiträgen) machen das Buch zu einer Fundgrube an Informationen.

Durch Sammeln von Absender-Freistempeln sowie von ZKD-Post der beteiligten Institutionen als Teil einer Kartographie-Sammlung sollte sich nach der Lektüre dieses Werkes und auf der Basis der hier gegebenen Informationen auch philatelistisch ein Teil dieser Zusammenhänge belegen lassen.

 

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Ralf Kraak

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aktualisiert am: 24.05.2018