Seit Länder ihre Namen wechseln wie unsereiner sein Hemd, wo das schöne Obervolta nun Burkina Faso heisst, Ceylon unter Sri Lanka firmiert und die Brücke am Kwai jetzt in Myanmar liegt, fragt sich der suchende Philatelist mitunter, welche Umbenennungen er denn nun noch kennen muss, um nicht vergeblich in Katalogen usw. nach seinen Schätzen zu suchen. Bei „Labuan“ allerdings darf er sich ruhig zurücklehnen, dieses auch für Briefmarkensammler durchaus paradiesische Fleckchen Erde nennt sich schon immer so und hat, vermutlich mit nicht ganz zufällig britischer Sturheit, allen Wünschen auf Namensänderungen bisher widerstanden. Die Sache liegt so:
In einem Englisch-Holländischen Vertrag von 1824 wurde die Insel Borneo der Niederländischen Interessensphäre zugeschlagen, was aber eine ziemlich theoretische Zugehörigkeit blieb, denn die Nordküste der Insel gehörte zum Sultanat von Brunei, das seinerseits leider auch nur nominelle Hoheit beanspruchen konnte, was daran lag, dass die dortigen kleinen Ortsfürsten sich mit Vorliebe der Piraterie in diesen vielbefahrenen Gewässern hingaben und keinerlei Aufsicht duldeten. Am 24. Dezember 1846 übertrug der Sultan, auf eine Anfrage Großbritanniens hin, die 92 km 2 große Insel Labuan als Weihnachtsgeschenk auf die Britische Krone. (Ich kann mir die Formulierung dieser Anfrage vorstellen.)
Labuan mit seinen vier Nebeninseln
Die Lage der Insel an der Nordküste von Borneo (Pfeil!), die zwei kleinen weißen Flecke sind das heutige Sultanat Brunei
Die Frage, was um Gottes Willen die Engländer denn dort suchten, wurde schon ein Jahr später beantwortet. Sie suchten gar nichts, denn sie hatten es natürlich schon vorher gefunden: Das Inselchen verfügte über einen hervorragenden Tiefwasserhafen an der Küste und vorzügliche Steinkohlevorkommen im Inneren; war selbstverständlich vorher alles nicht bekannt gewesen. So entstand jetzt dort eine der wichtigsten Marinebasen des Vereinigten Königreiches in Asien, erst 1911 gab man den Kohlebergbau wieder auf, da fuhren die moderneren Kreuzer schon mit Dieselöl.
Weil es sich bei Labuan genaugenommen auch nicht um Borneo, sondern um eine vorgelagerte Insel handelte, konnten die Holländer außer Knurren nicht viel machen, die Piraten allerdings knurrten nicht, die schrien laut, denn es ging ihnen mit britischer Gründlichkeit an die schmutzigen Krägen, und schon 1848 wurde Labuan zur Kronkolonie erklärt, mit chinesischen Kohlekulis bestückt, eine Kohlebahn gebaut und der Hafen jetzt regelmäßig angelaufen, Piraten gab es ja nicht mehr.
Nach anfänglicher Mitbenutzung der Briefmarken der Straits Settlements muss bald Bedarf an eigenen Ausgaben entstanden sein, und im Mai 1879 wurden also die ersten vier Ausgaben des neuen Markenlandes Labuan aufgelegt. Wie für eine Kronkolonie nicht anders denkbar, zeigten sie alle die Königin Victoria. Weil man den Druck aber von einer französischen Druckerei bewerkstelligen ließ, und die Franzosen Scherzbolde sind, blickt die Queen erkennbar griesgrämig und beleidigt in die Welt, vielleicht auch deshalb, weil man ihr nur eine sehr sparsame Auflage von 1.470 Stück für den seltensten und 3.520 Stück für den häufigsten Wert zugebilligt hatte. Wahrlich kein Ruhmesblatt für eine Kronkolonie. Eine weitere Ausgabe von sechs Marken sowie Überdrucke und Ergänzungswerte brachten bis 1886 insgesamt 23 verschiedene Ausgaben hervor, alle selten bis sehr selten, alle mit dem gleichen Motiv und alle auf dem Markt kaum zu finden, kein Wunder, denn insgesamt wurden in der Zeit bis 1894 nur recht genau 150.000 Marken hergestellt, auch damals schon eine knappe Vormittagsarbeit für Druckereien, nicht mehr.
Am 1. Januar 1890 wurde Labuan dem Territorium von British Nord-Borneo unterstellt, und wenn Sie jetzt sagen, dort sei doch der Sultan von Brunei angesiedelt gewesen, kann man nur antworten: „Richtig, gewesen!“. Der hockte jetzt, bis heute, in einem winzigen Restzipfelchen seines Reiches direkt an der Küste, fördert reichlich Öl und gilt, privater
Gesamteigentümer seines Reiches, mittlerweile als einer der vermögendsten Männer der Erde; war doch ein netter Zug von den Briten. An seiner Stelle errichteten sie die sogenannte Nord-Borneo-Kompanie, keine Militäreinheit, sondern ein Handelsunternehmen zur Nutzung aller Schätze des Landes, privat war sie aber nur „nach außen“, denn natürlich gehörten sämtliche Anteile der Krone.
Die Kompanie nutzte in der ersten Verlegenheit noch bis 1894 die alten Victoria-Ausgaben und schlug dann mit aller Härte zu. Sie überschwemmte den Markt förmlich mit Ansichten ihres Territoriums und dem Aufdruck „LABUAN“, und brachte bis 1905 fast 100 weitere Ausgaben hervor. Erstaunlicherweise sind aber gerade die ungebrauchten Exemplare fast aller Marken besonders rar. Das lag zum einen daran, dass in den Tropen kein vernünftiger Mensch gummierte Marken aufbewahrte, sie klebten ja sofort hoffnungslos zusammen (die Marken!), zum anderen wurden alle Werte massenhaft mit einem Gummistempel im Balkenoval sofort entwertet. Hier darf man also diesen philatelistischen Begriff auch mal wieder wörtlich nehmen.
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Trotzdem entfalten diese Marken einen eigentümlichen Reiz. In eindrucksvollen Farben gedruckt, stellen sie die heimische Flora und Fauna einem Publikum vor, das Jahrzehnte vor Sielmann oder Grzimek außer seinem Brehm ja nichts kannte, und der war noch stets nur schwarz/weiß gewesen. Niemals vorher hatte man einen Malaienbär oder ein Salzwasserkrokodil bunt gesehen, einen 48-Personen-Einbaum oder einen Orang-Utan im Vier-Farben-Druck vorgestellt bekommen, kein Wunder also, dass sich diese gefälligkeitsgestempelten kleinen Kunstwerke darum in fast jeder alten Sammlung reichlich finden.
Allerdings niemals auch nur annähernd als komplette Zusammenstellung, dafür waren die Verhältnisse nun doch nicht zivilisiert genug. Immer wieder kam es zu Behelfsausgaben und Druckmängeln, die heute teuer bis sehr teuer bezahlt werden müssen, wenn sie überhaupt jemals auf dem Markt verfügbar werden.
Am 24. September 1896 erschien sogar ein Markensatz zum Silberjubiläum der Inselzugehörigkeit zur Krone, und 1902 der erste „eigene Satz“ mit einer Wappendarstellung, die nicht mehr zunächst für Nord-Borneo und danach mit Überdruck für Labuan produziert wurde.
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Ab dem 1. Januar 1906 ging die Insel erneut in den Besitz der Kolonialverwaltung über und benutzte ab dem 30. Oktober 1906 wieder die Marken der Straits Settlements, eine schöne Ära war vorüber, und weil „schön“ bekanntlich ein persönlich gefärbter Begriff ist, tobt sich auch hier die offizielle Philatelistenliteratur freudig aus.
Von unverschämten Ausgaben ist die Rede, billigstes Zeug sei das alles, Gefälligkeitsentwertungen überall, sämtlich unerfreulich, und nur „bedarfsmäßig gebrauchte Briefe“ seien sehr selten. Na, ganz so ist es zum Glück nicht. Der berüchtigte Balkenovalstempel tritt auch auf vielen nachweisbar gelaufenen Briefen und Ganzsachen auf, kann also nicht ausschließlich „Sammlerbetrug“ sein, selbst jahrelanges Suchen hat den Verfasser noch längst nicht alle Ausgaben finden lassen, und auch mit Balkenstempel würde er sie ja gerne nehmen, wenn er sie nur kriegte. Ansehnlicher als die meisten modernen Ausgaben sind die Marken schon lange, und den „Hauch von Abenteuer“ vermitteln sie dem Betrachter jedenfalls mit größerer Intensität als eine Marke der Dauerserie „Burgen und Schlösser“, selbst solcher mit „Melierfasern“...
Florian Brouwers